2015, wo die Zahlen der Arbeitslosen weltweit immens steigen und auch in Österreich
immer wieder Höchstzahlen veröffentlicht werden, scheinen wir uns an den Skandal der Arbeitslosigkeit gewöhnt zu haben. Was sich nicht verändert hat ist, den Opfern die Schuld zu geben – Victim blaming heißt das auf Englisch.
„Schuldig“ seien die Arbeitslosen selbst, weil sie nicht genug „gebildet“, nicht genug „flexibel“ sind, weil sie sich „zu wenig bemühen“ oder eine „zu hohe Arbeitslosenunterstützung“ bekommen. Statt einer versicherungsbasierenden Solidarmaßnahme scheint zunehmend ein Kontroll- und Strafmechanismus um sich zu greifen. Oder wie ein Arbeitsloser bei einer Veranstaltung formuliert hat, sein dringender Wunsch sei, bei den Kontakten im AMS nicht mehr gedemütigt zu werden.
Bei 55 % Nettoersatzrate von zu viel Unterstützung zu reden oder eine bedarfsorientierte Mindestsicherung an der Armutsgrenze als Motivationshemmer für Arbeit zu denunzieren, das sind Phrasen, die immer wieder gedroschen werden. Das Schielen nach Deutschland mit dem Modell von Hartz IV übersieht absichtlich, dass Menschen dort in der Armutsfalle kleben bleiben. Vom Abstellgleis der Armut wegzukommen, ist nur wenigen möglich. Physische und psychische Erkrankungen haben hier ihren besonderen Nährboden. Mit dem Mangel an Einkommen kommt häufig ein Mangel an Selbstbewusstsein, ein Mangel an „Selbstvermarktung“. Es wird schwerer, sich so toll und großartig, wie gefordert, in Szene zu setzen, um einen Arbeitsplatz zu ergattern. Ruhiggestellt werden Menschen in Europa durch billige Importe von z. B. Textil- oder Elektronikprodukten aus anderen Ländern. Die globale Arbeitsverteilung zeigt die Versklavung von Menschen. Frauen gehen in Bangladesch in einer Textilfabrik in Sitzstreik, weil nicht einmal die minimalen zugesagten Löhne ausbezahlt werden und die Nichteinhaltung von Sicherheitsvorschriften ihr Leben gefährdet. In einer chinesischen Elektronikfirma teilen sich acht Frauen sechs Arbeitsplätze, Weiterlesen