Die Arbeitszeiten sind in den letzten Jahrzehnten heterogener und flexibler geworden. Der Wandel vollzog sich dabei von einer industriell, fordistisch geprägten Wirtschaftsweise hin zu einer Dienstleistungswirtschaft, die von flexiblen, teilweise selbstbestimmten und entgrenzten Arbeitszeiten geprägt ist. Von einem einheitlichen Arbeitszeitmuster kann unter solchen Voraussetzungen schon lange nicht mehr ausgegangen werden. Arbeitszeiten werden vor dem Hintergrund von ergebnisorientierter Leistungssteuerung im Vergleich zu starren Arbeitszeitregimen immer schwerer meßbar – einzig der Output und nicht die dafür aufgewendete Arbeitszeit zählt. Der Diskurs über die Arbeitszeit blendet häufig die gesundheitlichen Auswirkungen von unterschiedlichen Arbeitszeitregelungen aus. Dabei gibt es eindeutige arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Auswirkungen von Arbeitszeitgestaltung auf die Gesundheit.
Lange Arbeitszeiten schaden auf Dauer der Gesundheit
Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit ist in den letzten Jahrzehnten wieder gestiegen. Österreichs Beschäftigte leisten viele Überstunden, hierzulande liegen wir mit 41,8 Stunden durchschnittlicher Arbeitszeit pro Woche nahezu an der EU-Spitze. Es wäre daher Zeit für neue Arbeitszeiten. Studien belegen, dass lange Arbeitszeiten mit einem erhöhten Risiko für die Sicherheit, die Gesundheit und die soziale Teilhabe der Beschäftigten verbunden sind. In Bezug auf die tägliche Arbeitszeit konnte nachgewiesen werden, dass das Risiko für Arbeitsunfälle nach der achten Arbeitsstunde exponentiell ansteigt:
Längere tägliche Arbeitszeiten, insbesondere in Verbindung mit stärker belastenden Arbeitsbedingungen können daher nicht empfohlen werden. Das Risiko für gesundheitliche Beschwerden
steigt dagegen eher linear mit zunehmender wöchentlicher Arbeitsdauer an. Zusätzlich belastende Arbeitsbedingungen, wie eine körperliche Belastung, erhöhen das Risiko für Beeinträchtigungen weiter. Die folgende Abbildung zeigt die Abhängigkeit von psychovegetativen Beschwerden (PVB) in Abhängigkeit von der wöchentlichen Arbeitszeit in vier unabhängigen deutschen und europäischen Stichproben:
Mit steigender Wochenarbeitszeit nehmen nicht nur die psychovegetativen Beschwerden zu, es kommt auch zu einer Abnahme der Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit. Untersuchungen zeigen, dass bis etwa 40 h/Woche nur eine geringe Abnahme der Vereinbarkeit erkennbar ist, während sie jenseits dieser Grenze deutlich stärker abfällt. Diese Ergebnisse, wie vergleichbare Studien, sprechen deutlich für einen maximal 8-stündigen Arbeitstag an 5 Tagen in der Woche. Zu beachten ist, dass auch ein Achtstunden-Arbeitstag, der mit Arbeitsinhalten überfrachtet ist, auf Dauer gesundheitsgefährdend sein kann.
Lage der Arbeitszeit – Flexible und unübliche Arbeitszeiten
Flexible Arbeitszeiten nehmen stetig zu und werden einerseits als ein Instrument zur Anpassung der Arbeitszeit an (schwankende) Betriebsabläufe betrachtet, andererseits als eine Möglichkeit, den Mitarbeitern/-innen durch selbstbestimmte flexible Arbeitszeiten größere Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen und ihre Arbeitszeiten an ihre Anforderungen anpassen zu können. Eine hohe Variabilität, d. h. sehr unregelmäßige Arbeitszeiten, ist jedoch mit erhöhten gesundheitlichen und sozialen Beeinträchtigungen verbunden. Dies trifft auch für Beschäftigte zu, die selbst Einfluss auf ihre Arbeitszeiten ausüben können.
Während wahrgenommene Einflussmöglichkeiten für die Mitarbeiter/-innen generell als positiv beurteilt werden, können sie aber die potenziell negativen Effekte unregelmäßiger Arbeitszeiten nicht vollständig abfedern.
Ein weiteres Kriterium zur Bewertung von flexiblen Arbeitszeiten ist der Grad in dem solche Arbeitszeiten mit biologischen und sozialen Rhythmen eine Überschneidung finden. Studien konnten zeigen, dass gesundheitliche und soziale Beeinträchtigungen mit zunehmender Desynchronisation von Arbeitszeit und biologischen Rhythmen zunehmen. Solche Arbeitszeiten weichen von der Normalarbeitszeit (zwischen 8 und 17 Uhr, Montag bis Freitag) ab, also Arbeit an Abenden und Wochenenden sowie in der Nacht. In den letzten Jahrzehnten ist ein Zuwachs derartiger Arbeitszeitmuster erkennbar.
Dieser hohen Prävalenz unüblicher Arbeitszeiten stehen aktuelle Ergebnisse gegenüber, die erhöhte Risiken für die Sicherheit, Gesundheit und soziale Teilhabe der Beschäftigen mit unüblichen Arbeitszeiten demonstriert haben. Es wurden dabei die negativen Effekte von regelmäßiger Arbeit an Abenden, Samstagen und Sonntagen separat und in Kombination ermittelt, wobei „regelmäßig“ mindestens einmal im Monat bedeutet. So war beispielsweise durch regelmäßige Arbeit zu solchen Zeiten mit einer Steigerung des Risikos für gesundheitliche Beschwerden um jeweils 14 Prozent, 4 Prozent und 17 Prozent verbunden.[i] Die ermittelten negativen Effekte unüblicher Arbeitszeiten können sich darüber hinaus in Kombination mit anderen potenziell ungünstigen Arbeitszeitmerkmalen, wie etwa lange Arbeitszeiten, noch verstärken.
Arbeitswissenschaftliche Empfehlungen zur Arbeitszeitgestaltung
Um das Risiko für gesundheitliche und soziale Beeinträchtigungen der Beschäftigten zu minimieren, wurde eine Reihe von arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen zur Gestaltung der Arbeitszeit entwickelt. Diese beinhalten u. a. folgende Merkmale:
- Massierungen, d.h. überlange Arbeitszeiten und lange Arbeitsperioden ohne Ruhezeiten, der Arbeitszeit sollten vermieden werden.
- Die Dauer der Arbeitszeit sollte an die Intensität der Belastung angepasst sein.
- Vermeidung einzelner freier Tage. Eine geblockte Wochenendfreizeit ist einzelnen freien Tagen am Wochenende vorzuziehen.
- Die Variabilität der Arbeitszeit (nach Dauer und Lage) sollte so gering wie möglich sein.
- Arbeitszeiten sollten vorhersehbar und damit für die Beschäftigten planbar sein.
- Die Gestaltung der konkreten Arbeitszeiten sollte den Mitarbeitern/-innen Handlungsspielräume eröffnen.
Bei Schichtarbeit gilt es folgendes zu beachten:
- Vorwärtsrotierte Schichtpläne (Früh-Spät-Nacht) sind rückwärtsrotierten Schichtplänen (Nacht-Spät-Früh) vorzuziehen.
- Eine schnelle Rotation (z.B. 2-3 Tage dieselbe Schicht) ist besser als eine langsame Rotation (z.B. 5-7 Tage dieselbe Schicht).
- Möglichst wenige Nachtschichten in Folge (max. drei).
- Mindestens 24 h Ruhezeit nach einer Nachtschicht.
- Beginn der Frühschicht nicht zu früh.
- Schichtpläne sollten vorhersehbar und damit für die Beschäftigten planbar sein.
Fazit
Gesundheitliche Auswirkungen von überlangen Arbeitszeiten und der signifikante Anstieg des relativen Unfallrisikos finden leider viel zu wenig Beachtung bei Arbeitszeitdebatten. Beschwerden wie Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch psychische Beeinträchtigungen nehmen signifikant mit der Arbeitsdauer zu, wie Untersuchungen ergeben haben.
Bei Diskussionen um die Flexibilisierung und Verlängerung der Arbeitszeit soll nicht ausschließlich auf die wirtschaftliche Komponente geachtet werden, sondern unbedingt auch die gesundheitlichen und sozialen Effekte mitberücksichtigt werden. Letztlich haben diese Effekte auch wieder volkswirtschaftliche Auswirkungen.
Eine Arbeitszeitgestaltung nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen und daraus abgeleiteten Empfehlungen ist daher ein wichtiges Instrument zur Verhältnisprävention um gesundheitlichen und sozialen Risiken vorzubeugen oder sie zu minimieren, und das Wohlbefinden, die Produktivität und die soziale Teilhabe der Mitarbeiter/-innen (und ihrer Angehörigen) zu fördern.
(Quelle: blog.arbeit-wirtschaft.at)