Ein Beitrag von Ingo Bieringer, erschienen im Männermagazin Ypsilon der Katholischen Männerbewegung Österreich. In der gleichen Ausgabe ist auch der Beitrag Ohne Bereitschaft zu dienen und zur Ordnung gibt es keine persönliche Entwicklung erschienen.
Warum soll ein Mann männlicher sein, wenn er Gehorsam gelernt und Gefühle abgespalten hat? Wozu soll es einer militärischen Ausbildung bedürfen, um zum Mann zu werden? Das damit verbundene Grundverständnis von Erziehung und Männlichkeit ist mir unheimlich.
Mein Sohn wird bald 16 und beobachtet mich genau: wie ich über Männer, über Frauen, über mich selbst, über Andersdenkende spreche, welchen Stellenwert ich Arbeit, Politik und und und … einräume. Er ist in einem Alter, in dem er sich, mich und die Welt prüft – und dabei seine Identität entwickelt. In einem Jahr wird er beim Bundesheer nach militärischen Maßstäben gemustert. Würde er sich dort zum Mann entwickeln? Eine rhetorische Frage. Mein Sohn wird sich immer wieder zum Mann entwickeln, und die ihn dabei maßgeblich begleitenden Personen und Institutionen werden jedenfalls andere sein als das Heer (auch wenn er Grundwehrdiener werden sollte). Bleiben aber grundsätzliche Fragen.
Sich verbiegen …?
Jungen Männern schadet es nicht, wenn sie Putzen und Aufräumen lernen. Es wäre ein Alarmsignal, falls sie mit 18 Jahren noch nicht erfahren und gelernt haben, dass unbezahlte Reproduktionsarbeit im Sinne der Geschlechterdemokratie selbstverständlich zur Hälfte Aufgabe von Männern ist. Warum das aber ein Argument für das Heer als Schule für Männer sein soll, war mir schon als 17jähriger, dem bei der Stellung erklärt wurde, wie er einen Stift zu halten habe, ein Rätsel. Geputzt und geordnet wurde, weil es befohlen wurde und man damit Strafen vermied. Nach innen gerichtetes Kopfschütteln inklusive.
Als Zivildiener war man damals noch in Verruf, ein Drückeberger, „halber Mann” oder „Frauenversteher” zu sein. Solche homophoben Bezeichnungen sind gottlob nicht mehr salonfähig (vielmehr wird heute mit dem Zivildienst für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht geworben).
Klaus Theweleit beschreibt in seinen „Männerphantasien” anschaulich die Ergebnisse militärischer Sozialisation im (vor-)faschistischen Deutschland. Männer müssen erst erzogen und diszipliniert werden, um sich schließlich in einen „Körper” (Nation, Heer) einzufügen. Findet man es sinnvoll, dass sich junge Männer für die Gesellschaft betätigen, wäre eine kreative Debatte interessant, die von der traditionellen Wehrpflicht endlich abgekoppelt ist.
… oder Kritikfähigkeit lernen?
Gerade für junge Männer und Frauen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren sind demokratische Meinungsbildung und das Abwägen unterschiedlicher Sichtweisen wichtig. Es ist eine wunderbare Sache, Geschlechterdemokratie und die damit verbundenen Ambivalenzen und mitunter auch Anstrengungen als Teil biografischer und gesellschaftlicher Aufgaben zu erfahren. Das Heer ist nicht der Ort, an dem Kritikfähigkeit und Geschlechterdemokratie vermittelt werden. In diesem Sinne ist es wirklich Zeit für die männliche Emanzipation von patriarchalen Institutionen.
Der Autor Ingo Bieringer ist Soziologe, Mediator, Organisationsberater und Projektleiter im Friedensbüro Salzburg.
Foto: Flickr CC by ohallmann (Quelle: volksbefragung.wordpress.com)